RUSSISCHE UND WEISSRUSSISCHE OLYMPIA-ATHLETEN VERHERRLICHEN DEN KRIEG GEGEN DIE UKRAINE. IN PARIS WERDEN SIE TROTZDEM STARTEN

Ein Bild von Josef Stalin, veröffentlicht wenige Wochen nach Kriegsbeginn in der Ukraine, ergänzt mit dem Satz: «Ein Waffenstillstand mit dem Feind ist erst nach dessen Zerstörung möglich.» Ein Video, in dem ein Moderator behauptet, die einstigen Aussengrenzen der Sowjetunion seien nie offiziell annulliert worden, die Ukraine sei also weiterhin Teil des russischen Staatsgebiets. Ein weiteres Video, in dem ein Journalist eine Eskalation des Angriffs in den Raum stellt, «mit allen Arten von Waffen, einschliesslich nuklearer Waffen».

Diese und weitere Instagram-Beiträge hat die Russin Alena Iwantschenko mit Herzchen versehen. Obwohl das kaum einen Zweifel lässt, dass sie den seit Februar 2022 andauernden Krieg gegen die Ukraine in all seiner Brutalität gutheisst, nimmt die Radfahrerin in wenigen Tagen am Strassenrennen an den Olympischen Spielen teil.

Anhand öffentlich einsehbarer Quellen hat sich die Stiftung Global Rights Compliance mit den russischen und weissrussischen Olympia-Startern befasst. Das in einer 81 Seiten langen Studie dargestellte Ergebnis lässt das Internationale Olympische Komitee (IOK) schlecht aussehen. Eigentlich sollten Athleten aus den beiden Ländern in Paris nur zugelassen werden, wenn sie weder den Krieg unterstützen noch beim Militär oder bei nationalen Sicherheitsbehörden unter Vertrag stehen. Beide Ziele wurden nachweislich verfehlt.

Zehn russische und sieben weissrussische Olympia-Starter verstossen gemäss der Global Rights Compliance gegen die im Dezember 2023 festgelegten Neutralitätskriterien. Das ist jeweils ein signifikanter Teil des gesamten Aufgebots. Der Kanute Alexei Korowaschkow ist beispielsweise ebenso wie die Radfahrerin Tamara Dronowa Mitglied der Gruppe Dynamo, welche im Auftrag der Regierung Soldaten trainiert.

Die Tennisspielerin Diana Schnaider versah auf Instagram einen Tag nach Kriegsbeginn ein Video mit etlichen Rechtfertigungen der Invasion mit einem Herzchen. Später gefiel ihr ein weiteres Video, in dem sich ein Schauspieler zu der Behauptung verstieg, Ukrainer seien ethnische Russen, was die Einverleibung ihres Territoriums ebenfalls als berechtigt darstellen sollte. Die Kanutin Olesja Romasenko zählt nicht als Einzige zu den Mitgliedern des zentralen Sportklubs der Armee (ZSKA), der organisatorisch zum Verteidigungsministerium gehört.

Die Ergebnisse der Studie werfen die Frage auf, ob das IOK-Panel, das sich mit dem Hintergrund der russischen und weissrussischen Athleten befasste, nicht genau genug hinsah – oder ob es die eigenen Kriterien allzu locker definierte.

Sorge wegen Konflikten in Paris

Ukrainische Sportler und Funktionäre hatten vor den Sommerspielen vehement einen vollständigen Ausschluss verlangt. Im Gegensatz zum IOK hatte sich der Leichtathletik-Weltverband zu diesem Schritt entschieden.

Der Sportminister der Ukraine, Vadim Guttsait, begründete die Forderung in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» unter anderem mit der mangelnden Chancengleichheit. «Viele unserer Athleten haben Angehörige und Freunde verloren», sagte er. Diese seien von Russen getötet worden. Die Athleten trauerten, und sie sorgten sich um jene, die an der Front kämpften. «Es ist also glasklar, dass unsere Athleten und die russischen Athleten unter vollkommen ungleichen Bedingungen trainieren.»

Darüber hinaus sagte Guttsait, er sorge sich wegen Konflikten in Paris. Der Politiker erwähnte einen Vorfall in der Türkei, als zwei Fussballmannschaften aus der Ukraine und Russland im gleichen Hotel untergebracht gewesen seien. «Es kam zu Gewalt, und es gab Verletzte.»

Nun rät das Nationale Olympische Komitee der Ukraine, seine Sportler sollen sich in Paris von den russischen und weissrussischen Kollegen fernhalten. Darüber hinaus gelte es auch in den sozialen Netzwerken Diskussionen zu vermeiden.

Thomas Bach fällt auf Telefonstreich herein

Dass der Sport in diesem Fall eine versöhnende Wirkung entfalten kann, nicht zuletzt dank persönlichen Begegnungen, erscheint angesichts der Ausgangssituation schwer vorstellbar. Hinzu kommt, dass sich auch die Russen vom IOK geprellt fühlen. Die Prüfungen der Gesinnung der Athleten, der Ausschluss von Teams sowie die Verbannung von der Eröffnungsfeier haben Moskau verärgert.

Im Frühjahr wurde der IOK-Präsident Thomas Bach Opfer eines russischen Telefonstreichs. Anrufer, die sich fälschlicherweise als Vertreter der Afrikanischen Union ausgaben, diskutierten mit dem Deutschen über dessen Haltung gegenüber Russland. Das IOK rechnet in Paris mit weiteren Störaktionen.

Auch aus seiner eigenen biografischen Erfahrung heraus vertritt Bach die Überzeugung, der Sport solle so unpolitisch wie möglich agieren. Der ehemalige Fechter war vom Boykott der Olympischen Spiele 1980 in Moskau durch westliche Staaten betroffen gewesen. Die als ungerecht wahrgenommene Entscheidung trug laut seiner eigenen Aussage massgeblich dazu bei, dass der Jurist eine Funktionärskarriere anstrebte.

Im gegenwärtigen Fall stösst das Neutralitätscredo des IOK jedoch an Grenzen. Der Teilausschluss der Russen erweist sich als Kompromiss, der niemanden zufriedenstellt.

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